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Zum Reformbedarf der Staatsanwaltschaft

Sylweriusz M. Królak 2013-01-22

Der Bedarf einer Änderung des Modells, nach dem die polnische Staatsanwaltschaft funktioniert, wird seit einiger Zeit zu einem mit vollem Bewusstsein gestellten, dringenden gesellschaftlichen Postulat. Die geführte Diskussion wird nicht nur durch Auffassungen der einzelnen Personen und Milieus, die an dieser Debatte teilnehmen, sondern auch durch laufende Ereignisse beeinflusst, deren oft skandalöser Charakter das Vertrauen der Bürger in den Staat und seine Institutionen beeinträchtigt. Es geht dabei nicht nur um Sachen, wie die mit „Amber Gold”, sondern auch um zahlreiche mehr oder weniger bekannte Fälle der „Irrtümer der Staatsanwaltschaft”. Dabei muss es erstaunen, dass zuständige Behörden in den einen Sachen kaum etwas getan haben, während in den anderen, auf grundlosen Verdächtigungen basierend /wie dies etwa in der Sache von Barbara Blida oder Roman Kluska der Fall war/, Maßnahmen ergriffen wurden, die tragische Folgen herbeigeführt haben. Als Konsequenz solcher Ereignisse folgen selbstverständlich Fragen nach Machtmissbrauch, Straflosigkeit der Maßnahmen sowie entsprechenden Garantien der Beachtung von Bürgerrechten, und zwar vor allem im Zusammenhang mit den Handlungen oder Unterlassungen der Staatsanwaltschaft, Sicherheitsdienste oder Steuerbehörden. Wichtige Stimmen in dieser Diskussion waren noch im Mai 2012 während der Konferenz mit dem Namen „Die Rolle und die Stelle der Staatsanwaltschaft im System der Organe eines demokratischen Rechtsstaates” zu hören, die im Rahmen des auf Initiative des Präsidenten der Republik Polen organisierten Forums der öffentlichen Debatte stattfand.

Das darin vorgestellte Konzept, die Staatsanwaltschaft und den Staatsanwalt zu unabhängigen Institutionen zu machen, die aber gleichzeitig ihre Maßnahmen gegenüber der Gesellschaft voll verantworten, ist durchaus zutreffend. Derartige Auffassungen zeigen in angemessener Weise die korrekte Richtung der Maßnahmen auf, die langfristig auf eine Reform der Staatsanwaltschaft hinzielen. Ich betrachte dies vor dem Hintergrund meines eigenen Wissens um Standards der Einhaltung von Menschenrechten in Polen, insbesondere der Erfahrungen, die ich im internationalen Umfeld als Hauptberichterstatter der Regierung der Republik Polen vor dem UN-Ausschuss für Menschenrechte in Genf gesammelt habe. Die Einwendungen, die in den letzten Jahren gegenüber den polnischen Behörden erhoben wurden, was die Einhaltung der Gesetze und Beachtung der Menschenrechte angeht, betrafen hauptsächlich Fragen wie Missbrauch der Macht durch Sicherheitsdienste und Ermittlungsbehörden, also unbegründetes, zu häufiges Abhören, polizeiliche Überwachung oder die sog. Erzwingungshaft.

Alle diese Maßnahmen, obwohl sie scheinbar Polizeidienste betreffen, unterlagen und unterliegen nach polnischer Rechtsordnung der Aufsicht der Staatsanwaltschaftsorgane, die allzu oft dazu neigten, diese zu missbrauchen. Daraus wird eindeutig ersichtlich, dass die in Polen bestehende, zu starke Bindung des öffentlichen Anklägers an die Sicherheitsdienste im Interesse der Rechtmäßigkeit gerissen werden muss. Bei der Untersuchung muss der Staatsanwalt als objektiver Aufseher agieren, und nicht als Teilnehmer oft schändlicher Ereignisse auftreten.

Daher ist es von besonderer Bedeutung, dass künftige Gesetzgebungsakte, mit denen das System und die Funktionsweise der Staatsanwaltschaft geregelt werden, auf genau bestimmten Werten beruhen, unter denen der Schutz der Menschenrechte einen hohen Stellenwert einnehmen muss. Von großer Wichtigkeit ist auch, dass nicht nur von der Unabhängigkeit des Staatsanwalts, sondern auch von seiner persönlichen Verantwortung für die ergriffenen Maßnahmen gesprochen wird. Es handelt sich dabei nicht nur um Unabhängigkeit im politischen Sinne, sondern um alle Aspekte der Unabhängigkeit, darunter auch von anderen mächtigen Organen des Staates – um nicht klassisch zu sagen: Organen der Gewalt – die über Instrumente zur Einflussnahme auf andere öffentliche Einrichtungen verfügen, um Entscheidungen zu erwirken, die für sie, aber nicht unbedingt für den Bürger und für die Gesellschaft, günstig ausfallen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bestimmungen des entwickelten Gesetzes nicht nur strenge Unabhängigkeitsgarantien für die Staatsanwaltschaft sichern sowie die Ermittlungs- und die Anklagefunktionen voneinander trennen, sondern auch die Grundsätze der persönlichen Verantwortung der Bediensteten der Ermittlungsorgane und der öffentlichen Ankläger für die von ihnen ergriffenen Maßnahmen einführen müssen.

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